Einleitung – Warum dieser Artikel?
Immer wieder erlebe ich es in Gesprächen mit Privatanlegern, Börsenneulingen – aber auch mit erfahrenen Händlern –, dass die Begriffe Option und Optionsschein durcheinandergebracht oder gar synonym verwendet werden. Dabei handelt es sich um zwei grundlegend unterschiedliche Finanzinstrumente mit sehr verschiedenen Eigenschaften, Chancen und Risiken.
Mir ist es ein persönliches Anliegen, hier Klarheit zu schaffen. Denn nur wer die Funktionsweise und Eigenarten dieser Produkte wirklich versteht, kann fundierte Entscheidungen treffen – sei es zur Spekulation oder zur Absicherung.
Lassen Sie uns daher gemeinsam einen genaueren Blick auf diese beiden Instrumente werfen: Was verbindet sie, was unterscheidet sie, und welches Produkt eignet sich für welchen Anlegertyp?
Gemeinsamkeiten – Derivate und Termingeschäfte
Sowohl Optionen als auch Optionsscheine zählen zur Gruppe der Derivate. Das bedeutet: Ihr Preis leitet sich von einem Basiswert ab – typischerweise einer Aktie, einem Index, Rohstoff oder einer Währung. Steigt oder fällt der Kurs des Basiswertes, beeinflusst das den Wert des Derivats.
Beide Produkte sind zudem Termingeschäfte. Es wird also heute ein Vertrag abgeschlossen, dessen Erfüllung aber erst zu einem späteren Zeitpunkt – bis zum oder am Verfallstag – stattfindet.
Außerdem gewähren sowohl Optionen als auch Optionsscheine dem Käufer ein Recht, jedoch keine Verpflichtung: Ein Call (Kaufrecht) erlaubt es, den Basiswert zu einem festgelegten Preis zu kaufen; ein Put (Verkaufsrecht) erlaubt entsprechend den Verkauf. Diese Rechte sind zeitlich begrenzt – das Ablaufdatum (Verfall) ist ein zentrales Element beider Produkte.
Durch diese Struktur entsteht oft ein Hebeleffekt, also die Möglichkeit, mit relativ geringem Kapitaleinsatz überproportionale Gewinne (oder Verluste) zu erzielen. Bei Standard-Optionen bezieht sich ein Kontrakt z. B. meist auf 100 Aktien – bei nur einem Bruchteil des Kapitaleinsatzes im Vergleich zum Direktkauf.
Was sind Optionen?
Optionen sind standardisierte und börslich gehandelte Derivate. Sie geben dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), einen Basiswert zu einem vorher bestimmten Preis – dem Strike-Preis – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Es gibt zwei Haupttypen:
- Call-Optionen – Kaufrechte
- Put-Optionen – Verkaufsrechte
Was Optionen so besonders macht: Sie können beide Seiten des Geschäfts einnehmen. Das heißt, Sie können nicht nur Optionen kaufen, sondern auch verkaufen (schreiben). Als Verkäufer erhalten Sie die Optionsprämie – vergleichbar mit einer Versicherungsprämie – verpflichten sich im Gegenzug aber zur Lieferung (bei Calls) oder Abnahme (bei Puts) des Basiswerts, sollte der Käufer sein Recht ausüben.
Ein einfaches Beispiel:
Ein Käufer erwirbt eine Call-Option auf 100 Apple-Aktien mit einem Strike von 100 USD. Wenn der Marktpreis auf 120 USD steigt und die Option ausgeübt wird, sind Sie als Verkäufer verpflichtet, die 100 Aktien zum vereinbarten Preis von 100 USD zu liefern – obwohl der Marktwert höher liegt.
Da Optionen an regulierten Börsen wie der CBOE oder EUREX gehandelt werden, profitieren Sie als Händler von einer transparenten Preisbildung und dem Ausschluss eines Emittentenrisikos – ein wichtiger Unterschied zu Optionsscheinen.
Optionen in der Praxis
Optionen werden sowohl von institutionellen Investoren zur Absicherung (Hedging) großer Portfolios genutzt als auch von Privatanlegern zur Ertragsoptimierung oder Spekulation. In der Jens Rabe Academy liegt unser Fokus klar auf dem Verkauf von Optionen, insbesondere auf Aktien und Futures – eine Methode, die bei richtiger Anwendung auch in seitwärts tendierenden Märkten stabile Erträge liefern kann.
Aber: Der Verkauf von Optionen birgt – bei fehlendem Risikomanagement – ein theoretisch unbegrenztes Verlustrisiko, vor allem bei ungedeckten Call-Positionen. In der Praxis lässt sich dieses Risiko jedoch durch durchdachte Strategien (wie Covered Calls oder Spreads) nahezu vollständig kontrollieren. Dennoch gilt: Ohne fundiertes Wissen und diszipliniertes Moneymanagement sollten Sie sich hier nicht vorwagen.
Was sind Optionsscheine?
Optionsscheine – oft auch als Warrants bezeichnet – sind zwar vom Grundprinzip her ähnlich aufgebaut, aber sie unterscheiden sich in entscheidenden Punkten.
- Optionsscheine werden nicht an der Börse gehandelt, sondern von Banken emittiert und überwiegend außerbörslich (OTC) gehandelt.
- Ihr Vertragspartner ist also nicht ein anderer Marktteilnehmer, sondern die Bank selbst, die das Produkt ausgibt.
Das bringt gleich zwei Risiken mit sich:
- Emittentenrisiko: Kommt die Bank in finanzielle Schwierigkeiten, kann sie ihre Verpflichtungen aus dem Schein nicht mehr erfüllen.
- Intransparente Preisgestaltung: Die Bank legt die Preise fest – häufig zulasten des Anlegers. Spread und Gebühren sind oft höher als bei börslich gehandelten Optionen.
Ein weiterer zentraler Unterschied:
Als Privatanleger können Sie bei Optionsscheinen nur die Käuferrolle einnehmen – der Verkauf (das Schreiben) ist nicht möglich.
Damit fällt die Hälfte aller potenziellen Strategien weg – insbesondere Stillhaltergeschäfte, die aus unserer Sicht langfristig besonders attraktiv sind, lassen sich mit Optionsscheinen nicht umsetzen.
Vergleich: Optionen vs. Optionsscheine
Merkmal | Optionen | Optionsscheine |
---|---|---|
Handelsplatz | Regulierte Börsen (z. B. EUREX, CBOE) | Over-the-Counter (außerbörslich) |
Handelspartner | Andere Marktteilnehmer | Emittierende Bank |
Preisstellung | Transparent, fair (Marktmechanismus) | Intransparent, vom Emittenten bestimmt |
Gebühren | Günstig, standardisiert | Häufig hoch, individuell durch Bank festgelegt |
Risikostruktur | Käufer: begrenzt; Verkäufer: theoretisch unbegrenzt | Maximalverlust: eingesetztes Kapital |
Handelsstrategien | Kaufen und Verkaufen möglich | Nur Kauf möglich |
Emittentenrisiko | Nicht vorhanden | Ja, da Vertrag mit Bank |
Mein Fazit – und eine Einladung
Wenn Sie mich fragen, ist die Sache klar: Optionen sind das flexiblere, transparentere und langfristig profitablere Produkt.
Ich nutze wann immer möglich börsengehandelte Optionen, vor allem, weil ich gerne als Verkäufer agiere – etwas, das bei Optionsscheinen schlicht nicht möglich ist. Die faire Preisbildung und die Sicherheit eines regulierten Handelsumfelds sind für mich weitere entscheidende Pluspunkte.
Aber ich will auch ehrlich sein: Der Handel mit Optionen ist nichts für Unvorbereitete. Die Hebelwirkung kann sich schnell gegen Sie richten, und ohne Wissen über Stillhalterstrategien, Spreads, Marginanforderungen und Risikobegrenzung ist man hier schnell auf verlorenem Posten.
Optionsscheine mögen auf den ersten Blick einfacher erscheinen – und ja, der Maximalverlust ist auf das eingesetzte Kapital begrenzt –, aber dafür erkaufen Sie sich diese „Sicherheit“ mit erheblich eingeschränkten Möglichkeiten und oft höheren Kosten.
Mein Tipp an Sie:
Machen Sie sich mit dem richtigen Werkzeugkasten vertraut. Optionen eröffnen Ihnen ein ganzes Universum an Strategien – vom konservativen Covered Call bis zum komplexen Iron Condor.